Quelle: http://www.welt.de/finanzen/immobilien/article113481328/Deutsche-in-der-Toskana-auf-Schnaeppchenjagd.html

Deutsche in der Toskana auf Schnäppchenjagd

Während reiche Italiener ihr Geld ins Ausland bringen, entwickelt sich der heimische Immobilienmarkt zur Goldgrube für europäische Anleger. Vor allem Deutsche sichern sich exklusive Villen. Von

 

Der Name ist Programm. Collina d'Oro heißt übersetzt "Der goldene Hügel". Die Gemeinde bei Lugano im schweizerischen Tessin ist ein Magnet für betuchte Italiener. Sie kaufen jenseits der Grenze Villen, Wohnungen und Grundstücke. Häufig kommen sie aus Mailand, das nur rund eine Stunde Autofahrt entfernt ist.

Es ist ein regelrechter Boom, wie die Statistik nahelegt. 2011 erwarben Italiener Grundstücke und Wohnungen im Wert von über 81 Millionen Franken (66 Millionen Euro) im Tessin. Das seien 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor, teilt die Statistikbehörde auf Anfrage mit. Von einer "Tessininvasion der Ängstlichen" sprach eine Schweizer Wochenzeitung. Und nicht nur das Tessin weckt Begehrlichkeiten: Auch deutsche Immobilien stehen auf der Wunschliste der Italiener.

In Mailand selbst bietet sich das umgekehrte Bild. Fabrizio Morelli, als Makler spezialisiert auf Luxusanwesen, betreut vor allem ausländische Kunden, die in Italien kaufen wollen. Eine wohlhabende deutsche Familie sucht beispielsweise nach einer Immobilie in der Modestraße Via Montenapoleone im Herzen der lombardischen Metropole, wo Ermenegildo Zegna und Yves Saint Laurent ihre Geschäfte haben.

 

"Ball verkehrt" auf dem Immobilienmarkt

 

"Die Familie will dort nicht wohnen, sondern sucht nach einem Renditeobjekt", sagt Morelli. Gefragt seien neben den klassischen Ferienorten wie Sardinien oder Forte dei Marmi an der toskanischen Riviera aktuell Mailand und Rom, sagt der 51-Jährige.

Krise

Diese spanischen Immobilien will keiner haben

Die Italiener gehen ins Ausland, die Ausländer kommen nach Italien – "Ball verkehrt" auf dem italienischen Immobilienmarkt. Verantwortlich dafür ist in beiden Fällen die europäische Verschuldungskrise. Die Italiener fürchten, dass der Staat sich bei ihrem Vermögen bedient, um seine hohen Schulden zu senken.

Solch eine "Patrimoniale" gab es bereits im Jahr 1992, als die Regierung von Giuliano Amato eine Abgabe von sechs Promille verhängte. Durch die Flucht über die Grenze, beispielsweise ins Tessin oder nach Tirol, wollen sie ihr Geld in Sicherheit bringen. Die Ausländer wiederum gehen auf Schnäppchenjagd. Seit dem zweiten Quartal 2008, als sie ihren Höhepunkt erreichten, sind die Hauspreise auf dem "Stiefel" um rund 20 bis 30 Prozent eingebrochen.

Ganz vorne mit dabei auf der Liste der Kaufanwärter sind die Deutschen. Das Forschungsinstitut Scenari Immobiliari kann das mit Zahlen belegen: In den vergangenen acht Jahren bis 2012 kletterte die Zahl der ausländischen Hauskäufer in Italien um rund 53 Prozent auf zuletzt 4600. Der Wert der Hauskäufe verdreifachte sich über den gleichen Zeitraum fast auf 2,1 Milliarden Euro.

 

Hohe deutsche Beteiligung

 

Bei vier von zehn Transaktionen mit ausländischer Beteiligung seien Deutsche involviert, sagt Mario Breglia, der Präsident des Instituts. "Früher suchten Ausländer nur in der Toskana oder an der Riviera. Heute kaufen sie in ganz Italien."

Traditionell ist das Eigenheim die wichtigste Wertanlage für italienische Familien. "Il mattone", was so viel heißt wie "Mauerstein", ist die Altersvorsorge Nummer eins. Ende 2011 belief sich das Vermögen der Familien auf mehr als 8,6 Billionen Euro. Fünf Billionen, das entspricht 200.000 Euro je Familie, entfielen dabei auf Immobilien, wie aus einer Erhebung der Banca d'Italia zur Finanzlage der Haushalte hervorgeht.

Derzeit sind Italiener in ihrer Heimat jedoch im Nachteil. Die Banken geizen mit Krediten. Nach Maklerschätzungen ist das Hypothekarangebot um 50 Prozent eingebrochen. Gekauft und verkauft wird gerade so gut wie nicht mehr, der Markt steht still. Im ersten Quartal 2012 gingen die Hauskäufe laut der Behörde Agenzia del Territorio gegenüber dem Vorjahr um knapp 20 Prozent zurück. Das heißt: Die Ausländer haben derzeit freie Bahn.

Das Angebot an Liegenschaften ist groß. Viele italienische Familien sind gezwungen, ihre Anwesen zu verkaufen, beispielsweise, weil sie sich den Unterhalt nicht mehr leisten können. Eine Rolle spielt dabei auch die neue Immobiliensteuer. "Imu" heißt sie. Sie wurde von Ministerpräsident Mario Monti eingeführt, um die Staatskasse aufzupäppeln. 24 Milliarden Euro brachte sie ein.

 

Berlusconi hatte die Immobiliensteuer abgeschafft

 

Montis Vorgänger Silvio Berlusconi hatte eine ähnliche Steuer abgeschafft. Die "Imu" ist eines der heißesten Themen im Wahlkampf. Alle Parteien wollen sie entweder abfedern oder gleich abschaffen, auch Monti kündigt Verbesserungen an. Gewählt wird am 24. und 25. Februar.

Hauskäufer können es sich leisten, wählerisch zu sein, sagt Rupert Fawcett, der bei dem britischen Immobilienmakler Knight Frank für Italien zuständig ist: "Die Käufer sind noch stärker als früher darauf erpicht, das perfekte Anwesen zu finden. Deshalb lassen sie sich mehr Zeit." Viele Käufer hätten kein Interesse, ein Haus zu restaurieren. "Dafür fehlt ihnen die Zeit und die Lust", sagt Fawcett.

Der Großteil der Transaktionen habe sich zuletzt zwischen 700.000 und 3,5 Millionen Euro bewegt. Bei ihm werde vor allem die Toskana, Umbrien, Venedig, die Seen im Norden, allen voran Como, und die ligurische Küste nachgefragt. Fawcett glaubt nicht, dass sich an der Marktsituation in diesem Jahr etwas ändert: "Abgesehen von wirklichen Topanwesen halte ich Preisanstiege für unwahrscheinlich", sagt Fawcett.

"Die Unsicherheit wird bleiben, gerade vor den Wahlen." Er rechnet damit, dass größere Villen und Anwesen auf den Markt kommen. "Viele davon werden aber schwer verkäuflich sein, gerade dann, wenn die Lage nicht optimal ist und sie restaurierungsbedürftig sind."

 

Luxusbereich bleibt eine Welt für sich

 

Eine Welt für sich bleibt der Luxussektor. Wer sich für ein Topanwesen interessiert, muss sich auf Konkurrenz einstellen. In den vergangenen zwei Jahren hätten die Preise in diesem Segment um neun Prozent zugelegt, sagt Carlo Giordano von der Immobilienseite Immobiliare.it. "Das Luxussegment ist von der Krise unberührt."

Zusammen mit Luxuryestate hat Giordano eine Studie durchgeführt und 25.000 Annoncen in 23 Ländern ausgewertet. Ergebnis: Italien hat sich zum größten Anbieter in Europa gemausert. Laut Giordano gebe es neue Geheimtipps. Die Küste vor Conero in den Marken, südlich von Ancona, und Salento in Apulien seien im Kommen.

Bei wirklichen Superanwesen diktierten nicht die Käufer, sondern die Verkäufer den Preis, sagt Morelli. Er vergleicht solche Anwesen mit Kunstwerken. "Sie sind wie ein Gemälde von Caravaggio", sagt der 51-jährige Immobilienmakler. "Sie sind einzigartig." Einen solchen Caravaggio hat er selbst im März 2012 vermittelt. Für die Summe von mehr als 100 Millionen Euro.

 

Oligarch kauft Villa an der Costa Smeralda

 

Es handelt sich um eine Villa in Punta Capaccia bei Romazzino, an der sardischen Costa Smeralda, gar nicht weit von Porto Cervo entfernt. 400 Quadratmeter Wohnfläche, 19 Zimmer, mit einem Schwimmbad, das zwischen den Felsen liegt und ins Meer hinausführt. Namen nennt Morelli zwar nicht.

Doch in Italien ist zumindest der Verkäufer kein Geheimnis mehr. Es handelt sich um Carlo De Benedetti. Er ist Eigentümer der Holdinggesellschaft CIR, die unter anderem die Tageszeitung "La Repubblica" verlegt und auch im Energiesektor aktiv ist. Zugeschlagen hat ein russischer Oligarch, der nun dort mit seiner Familie lebt.

Wer sich ein echtes Juwel in Italien sichern will, braucht Kontakte und Geduld. Der Verkauf der De-Benedetti-Villa wurde nicht im Internet angepriesen. Das Geschäft fädelte Makler Morelli durch sein persönliches Netzwerk ein. Nicht nur kannte er die Familie De Benedettis. Er hatte auch einen Draht nach Russland.

Morelli arbeitete lange für die Heizungsbaufirma seines Vaters. Nach dem Fall der Mauer zog es ihn nach Moskau. Von diesen 20 Jahren Aufbauarbeit profitiert er heute. "Es kann sich Jahre hinziehen, bis es zum Abschluss kommt", sagt Morelli. Doch einen Caravaggio findet man eben nicht alle Tage.